Freitag, 9. Mai 2014

Fairer Handel hilft, ganz konkret




Morgen, am 10. Mai, ist der Internationale Tag des fairen Handels. Eine gute Gelegenheit mal ein bisschen kritisch hinter die Kulissen zu schauen und zu hinterfragen: Was kann fairer Handel und was nicht?

Für die einen ist Fairtrade moderner Ablasshandel mit dem man sich einfach ein gutes Gewissen kaufen kann. Für die anderen ... geht es um die Menschen, um Solidarität, um Verantwortung zu übernehmen für das eigene Handeln, ganz einfach um Respekt. Eigentlich sollte Fairness im Handel ja selbstverständlich sein und nicht spezielle Labels und teure Zertifizierungsmassnahmen benötigen. Leider ist dem nicht so und sogar dort, wo fair drauf steht ist nicht immer fair drin. Das Business mit dem Business gedeiht prächtig und grosse Namen wie Max Havelaar stehen immer mehr in der Kritik seit dem sie die Bestimmungen zum Erhalt des Gütesiegels immer mehr verwässern.

Aber was ist denn überhaupt fair, oder gerecht? Am einfachsten lässt sich das an einem konkreten Beispiel erklären. Praktischerweise haben wir gleich eines zur Hand, den Kaffa Wildkaffee. Kommen Sie mit auf eine spannende Reise in den äthiopischen Regenwald.




Nebel liegt wie Milchschaum in den Tälern der Provinz Kaffa im Südwesten Äthiopiens. Der Regenwald rechts und links des lehmigen Pfades trieft vor Feuchtigkeit. Die Rufe eines Nashornvogels schrillen wie hysterisches Gelächter aus dem Geäst. Eben haben wir den Gumi-Fluss durchwatet und sind kurz danach knöcheltief im rötlichen Schlamm versunken ... 

Ende der 60er-Jahre waren noch 40 Prozent von Äthiopiens Landesfläche von dichtem Wald bewachsen. Inzwischen ist dessen Anteil auf 2,7 Prozent geschrumpft. Aufgrund massiv steigender Bevölkerungszahlen und der damit verbundenen Infrastruktur nimmt der Druck auf den Regenwald massiv zu, der Grundwasserspiegel sinkt und Erdrutsche sind an der Tagesordnung.

Coffea arabica gehört zu den wenigen wichtigen Welthandelsprodukten, die noch als Wildpflanzen in ihrer Heimat vorkommen. Und das in einer ungeheuren genetischen Vielfalt: Mehr als 5'000 Arabica-Varianten haben Wissenschafter in den äthiopischen Nebelwäldern nachgewiesen, im gesamten Rest der Welt sind es dagegen nur ein paar Dutzend. Äthiopischer Wildkaffee ist damit nicht nur bedeutend vielfältiger als Garten- oder Plantagenkaffee, sondern auch robuster und wider- standsfähiger gegenüber Krankheiten.



„Kaffa ist die Urheimat des Arabica“ ... „in vielen Sprachen heißt der Kaffee nach dieser Region. Und nur hier gibt es Kaffee, der wild in den Wäldern wächst.“

Im Jahr 2001 initiierte der damalige Geschäftsführer von "GEO schützt den Regenwald e.V." ein Projekt, das den Menschen von Kaffa die Möglichkeit geben soll, ihre Wälder zu schützen und gleichzeitig zu nutzen. Die Projektidee: Die Vermarktung von wild wachsendem Kaffee soll zum dauerhaften Schutz der Wälder führen – zum Nutzen der Menschen. Die örtlichen Kleinbauern erhalten einen Premium-Preis für ihr Regenwald-Produkt. Für sie wird der Wald zu einer wichtigen Einkommensquelle, es liegt fortan also in ihrem ureigensten Interesse, die Waldflächen zu erhalten. Dieses Einkommen ermöglicht ihnen, den Wald nicht mehr zu roden zu müssen, um fürs Überleben notwendige Kulturflächen zu gewinnen. Da der Wald aber der Regierung gehört, ist eine dauerhafte Nutzung nur möglich, wenn die Interessen der Kleinbauern geschützt werden. FarmAfrica führte das innovative Konzept des partizipativen Waldmanagements (PFM) erfolgreich in der Region Kaffa ein. Das PFM ermöglicht geordnete Gespräche mit der Regierung und den lokalen Behörden sowie den Schutz gegen Investoren und Holzdieben.

Kaffeesammler seien ... zu wichtigen Verbündeten geworden. „Aus eigenem Interesse achten sie darauf, dass keine Bäume beschädigt werden.“ Noch vor zehn Jahren hätten sich nur wenige die Mühe gemacht, Kaffee in entlegenen Gebieten zu sammeln. Der größte Teil war für den Hausgebrauch bestimmt, geringe Mengen landeten in schlechten Kaffeemischungen. „Es sind viele Kirschen hängen geblieben, und der Wildkaffee erzielte nur ganz niedrige Preise.“

Die Situation änderte sich schlagartig, als der Unternehmer Florian Hammerstein aus Freiburg 2004 begann, den Wildkaffee in Deutschland und Österreich zu vermarkten. Er hatte die Bohnen zu- sammen mit einem befreundeten Röster getestet und war vom Potenzial des Wildkaffees begeistert. „Ich wollte ein Gourmetprodukt anbieten“, sagt Hammerstein, „keinen Kaffee, den man nur aus Mitleid oder politischem Engagement kauft. So etwas funktioniert ja langfristig nicht.“

Mit einer einfachen Rüttlermaschine werden die Früchte des Kaffeebaums zunächst grob geschält. Was danach kommt, ist reine Handarbeit: Unter dem Vordach sitzen Dutzende Arbeiterinnen, die die Bohnen säubern und einzeln verlesen. Nur perfekt ausgereifte, unbeschädigte Exemplare sind für den Export tauglich. Auch diese ungelernten Kräfte, das ist Hammerstein wichtig, werden, gemessen an äthiopischen Standards, überdurchschnittlich entlohnt.


Das eineinhalbfache des Welthandelspreises zahlt der Freiburger Geschäftsmann den Kooperativen für ihr Spitzenprodukt. 6.700 Mitglieder und ihre Familien profitieren auf diese Weise direkt vom Verkauf des Wildkaffees. Aber auch Bauern, die keine Mitglieder der Kooperativen sind, können mittlerweile bessere Preise für ihre Ernte erzielen. „ich verstehe mich nicht als Helfer, sondern als Partner ... wir reden auf Augenhöhe mit den Bauern.

Geld alleine ist auf die Dauer aber keine Lösung um den Regenwald nachhaltig zu schützen. Der Deutsche Naturschutzbund (NABU) hat sich dem Projekt angeschlossen und massgeblich dazu beigetragen, dass die UNO im Juni 2010 das von der Regierung Äthiopiens eingereichte Kaffa Biosphären Reservat akzeptierte. Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Regenwaldes als artenreiches Biotop sondern um den Erhalt des Regenwaldes als Klimaschutz und die Integrierung der dort lebenden Menschen in ein nachhaltig funktionierendes Ökosystem.

Nachdem das partizipative Waldmanagement solide verankert war und in der Bevölkerung grosses Vertrauen geniesst konnten die Schutzzonen ausgeweitet werden. So konnten im ersten Halbjahr 2013 drei neue Schutzgebiete eingweiht und den Kleinbauern übergeben werden. 

Im Jahre 2004 stiess Maria Müller zum Projekt und gründete Original Food Schweiz. Seit zehn Jahren setzt sie sich nun zusammen mit ihrem Geschäftspartner Florian Hammerstein für den Wildkaffee und den Erhalt der Nebelregenwälder in Kaffa ein. Die beste Hilfe und gleichzeitig auch die grösste Wertschätzung für die Arbeit der Kleinbauern ist der Verkauf des Wildkaffees. So importieren Maria Müller und Florian Hammerstein zusammen heute rund 200 Tonnen Wildkaffee, wovon auf dem Schweizer Markt via Biofachhandel, der Gastronomie und dem eigenen Webshop ca. 30 Tonnen abgesetzt werden.

Die Konsumenten kennen heute vor allem den Preis eines Produktes, dieser sagt aber nichts über den Wert aus. Plantagenkaffee ist nur deshalb so billig, weil die Natur, die Umwelt und die dort arbeitenden Menschen den Preis bezahlen. Kaffee, und generell Produkte aus fairem Handel, haben deshalb eben nicht nur einen fairen Preis sondern auch einen Wert.


Wer sich für ein hochwertiges Produkt entscheidet gibt nicht nur seinem Leben einen Wert sondern respektiert auch das Leben anderer in einer intakten Umwelt. Und darum geht es ja grundsätzlich, beim fairen Handel. Aber ... ob Sie einfach blind einem Label vertrauen oder dort einkaufen, wo Sie auch wissen, was konkret dahintersteht, das ... überlassen wir Ihnen.



Die kursiv geschriebenen Textpassagen stammen aus dem wunderschönen Artikel "So stark kann Kaffee sein" des sehr zu empfehlenden Magazins TERRA MATER.




P.S.: Zur Feier des Tages kann morgen, am 10. Mai, der Film Connected by Coffee gratis online gesehen werden. Aber nur morgen.

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