Donnerstag, 27. August 2015

Vom Baum in die Tasse - die wunderbare Reise des James Bean

Kennen Sie Mr. Bean? Nein, nicht den von Roy Atkinson gespielten trotteligen Engländer aus der gleichnamigen Komödie sondern Mr. James Bean. James Bean hat auch nichts mit dem amerikanischen Herzensbrecher James Dean gemeinsam der leider viel zu früh gestorben ist. Nein, James Bean ist der Name, mit dem wir eine ganz spezielle Kaffeebohne taufen, welche im Frühling 2014 noch als duftend weisse Blüte am Baum reifte und irgendwann - und irgendwo - zumindest ein Herz höher schlagen liess. Die wunderbare Reise des James Bean vom Baum in die Tasse möchten wir im nachfolgenden aufzeichnen.


Es war einmal, vor langer langer Zeit, da fiel eine überreife Kaffeekirsche auf den Boden. Sie hatte das Glück weder im Magen des Ankoberhänflings, des Mantelaffen oder eines Anubispavian zu landen. Sie bettete sich weich im warmen Laub und wurde von einer zufällig vorbeiziehenden Löwentatze sanft in das Erdreich gedrückt. Die Nacht kam und mit ihr ein saftiger Gewitterregen. Das süsse Fruchtfleisch wurde von allerlei Käfern, Ameisen und Würmern abgeknabbert und zurück blieben zwei Bohnen. Um es kurz zu machen, aus einer - nennen wir sie Maraki, was so viel wie "voller Charme" heisst - wuchs ein wunderschöner, grosser Kaffeebaum. Im Frühling 2014 stand er zum dreissigsten Mal in voller Blüte. Zahlreiche wilde Bienen besuchten die duftenden Blütendolden und befruchteten sie. Und so kam an einem milden Märztag James Bean auf die Welt. Der kleine James entwickelte sich prächtig und die Regenzeit tat das ihre dazu. Im Oktober liess der Regen dann langsam nach und James' Behausung fing an, sich rot zu verfärben. Ab und zu kamen ein paar junge Männer aus dem Dorf und pflückten die bereits reifen Beeren von den Zweigen. Und eines sonnigen Tages Anfang November war auch James' Kirsche genug reif, um von flinken Fingern abgezupft zu werden. Zusammen mit einer Handvoll anderer Kirschen landete er im Strohkorb. Und hier fängt die wunderbare Reise des James Bean an.




Zusammen mit vielen weiteren Kirschen ging es erst auf dem Rücken eines Kaffitschos zur Sammelstelle wo die Körbe in Säcke gefüllt wurden die man anschliessend auf den Rücken eines Esels band. Nun ging es über Stock und Stein durch den Regenwald, durch kleine Flüsse und über staubige Trampelpfade bis zur nächsten Siedlung die aus ein paar einfachen Hütten mit Wellblechdächern bestand. Die Säcke wurden abgeladen und deren Inhalt auf straffe Hängematten ausgeleert die einen guten Meter über Boden in Holzrahmen in Reih und Glied standen. Ausser dem Geholper hatte James Bean bisher nicht viel von der Reise mitbekommen. Langsam wurde ihm aber heiss und auch sein bisher weiches Bett verhärtete sich zunehmend. Immer wieder strichen Hände über die Kirschen, drehten sie ein bisschen und sortierten die Un- und die Überreifen aus. In den guten drei Wochen in denen sich die Schale von Scharlachrot ins Artischockenviolett wand wurde James etwas süsser. Er sog möglichst viel Fruchtzucker aus der trocknenden Schale um möglichst viel Energie für die noch lange, dunkle Reise zu haben. Er wollte raus aus dieser engen, harten Schale, ans Licht.




Dunkel bleibt es aber für James Bean denn die getrockneten Kirschen werden wieder in Säcke verpackt und mit dem Esel in Sammelstelle der Kooperative, eine Wellblechhalle, gebracht. Dort werden die Säcke in eine einfache Rüttlermaschine geleert welche James Bean grob von seiner Hülle befreit. In der Halle schwebt eine Wolke auf feinem Staub und von etwas weiter her hört James Frauen lachen und singen. Dort möchte ich gerne hin denkt er und schwupps, wird er unter das Vordach der Halle verfrachtet wo dutzende Arbeiterinnen die Bohnen säubern und anschliessend jede Bohne einzeln verlesen, denn nur perfekt ausgereifte, unbeschädigte Exemplare sind für den Export tauglich. James Bean übersteht die kritische Kontrolle und gelangt, zusammen mit 119'999 anderen Bohnen in einen grossen Jutesack. Gespannt wartet er dort wie es weitergeht.




Lange muss er nicht warten denn bald werden die Säcke auf einen Lastwagen geladen. Über wie ein Fluss mäandernde Landstrassen führt der Weg über Jimma ins knapp 500 Kilometer entfernte Addis Abeba, vorbei an vielen abgeholzten Landstrichen, an kleinen Dörfern die die Strasse säumen, über Bergketten und durch kleine Städte. In der bunten und lärmenden äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba angekommen wird James Bean von der staatlichen Kaffeekontrollstelle nochmals auf Herz und Nieren geprüft, dann erst bekommt er den Qualitätsstempel für den Export und wir in einen Container verladen. Weiter geht die Reise bis zum Hafen nach Djibouti. Dort wurde der Container auf ein Schiff verladen und Anfang April 2015 führte die Reise übers Meer bis nach Hamburg. Ob Afrika oder Europa machte für James Dean keinen grossen Unterschied denn im Sack war es immer noch genau gleich dunkel. Und wieder wurde der Sack umgeladen. Diesmal geht's mit dem Lastwagen in die Schweiz wo James Bean Anfangs Juni in einem kleinen Dorf im Bündnerland ankommt.





Hier endlich konnte James wieder frische Luft schnappen. Und was für Luft! Frische, Schweizer Alpenluft, mit einem Hauch von Frühling, denn es war nun bereits Ende März 2015. Aber die Freude war nur von kurzer Dauer denn James Bean wurde in eine dunkle, heisse Maschine geworfen. Trommelröster hiess das Ding. Dort wurde ihm schön warm und langsam begann er sich wohlzufühlen. Er wurde braun und fing an, herrlich nach Karamell und Röstaromen zu duften. Immer wieder wurde nach ihm geschaut ob auch alles in Ordnung sei. James Dean blähte sich ein wenig auf vor Eitelkeit und nach knapp 18 Minuten war dann ein lauter Krack zu hören. Jetzt hatte James genug und wollte raus. Er klopfte an die Tür und dienstbeflissen wie wir Schweizer sind öffnete der Röster die Tür und kühlte ihn sofort mit frischer Bündner Bergluft. James Bean fühlte sich pudelwohl und an das Leben als Fotomodell auf einer edler Tischdecke hätte er sich gut gewöhnen können. Schlussendlich landete aber auch er in einem Aromabeutel, wurde in einem Karton verpackt und mit dem Lastwagen in ein Postverteilzentrum gebracht. Von dort ging die Fahrt weiter mit dem gelben Auto des Pöstlers bis er in einem Briefkasten landete. "Mami" hörte er plötzlich schreien "Poscht isch da. Was isch da inne? Vo wem isch es? Darf ichs ufmache? Hmmmmmm, Kafi, de schmöckt immer so fein." Liebevoll öffnete Mami Maraki das Paket Kaffee, zog den umwerfenden Duft in die Nase und blinzelte James Bean zu: "Nun kommt dein ganz grosser Auftritt"...

Und so verführte James Bean Maraki Hugentobler und liess ihr Herz für einen kurzen Augenblick der Ewigkeit höher schlagen.

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