Donnerstag, 24. November 2016

Äthiopien - quo vadis?

Äthiopien war lange Zeit ein Geheimtipp unter Globetrottern, eine Traumdestination, nicht nur für Kafficionados. Die Neuigkeiten, die uns in letzter Zeit aber erreichen sind nicht sehr berauschend. Unruhen und Gewalt vermischen sich mit Dürre und Hungersnot. Seit dem Ende des 17jährigen Bürgerkrieges und dem Sturz des kommunistischen Militärregimes 1991 blieb es in diesem Land recht ruhig, das Zusammenleben von Muslimen und Christen verlief relativ reibungslos und auch ethnische Konflikte wie in den Nachbarländern Somalia und Sudan schienen unter Kontrolle zu sein. Droht der rasante Umbau vom Agrar- zum Industriestaat, der einzig ökonomischen Kriterien unterliegt, zu scheitern, das Land in ein Chaos zu stürzen, wie es viele afrikanische Länder kennen oder schafft die Regierung es, das Land zu einem echten Vorbild für den Kontinent zu wandeln?

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Als ein dem Land ziemlich eng verbundenes Unternehmen hoffen wir natürlich Zweiteres, beobachten aber mit einer gewissen Besorgnis die aktuelle Entwicklung. Wenn eine ethnische Minderheit ein Land regiert und in raschem Tempo und mit Hilfe ausländischer Investoren ein Agrarland in die Moderne und an die Spitze des Kontinents katapultieren möchte, birgt das natürlicherweise gewissen Zündstoff. Äthiopien ist mit über 100 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt, das hohe jährliche Bevölkerungswachstum von knapp drei Prozent und die in vielen Landesteilen dieses Vielvölkerstaates noch gänzlich fehlende Infrastruktur stellt die seit 1991 an der Macht stehende Rebellenallianz vor schwierige Aufgaben.

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Der Wunsch, nach über 3'000-jähriger Unabhängigkeit weiterhing - zumindest energietechnisch - unabhängig zu bleiben ist nachvollziehbar. Mit dem Bau des grössten Wasserkraftwerk Afrikas soll eines der ärmsten Länder der Welt zum grössten Energielieferant des Kontinents werden. Der Grosse Renaissance-Staudamm ist ein Prestigeprojekt, welches aber nicht nur Begeisterungsstürme auslöst. Der gewonnene Strom soll einerseits wichtige Devisen bringen, andererseits soll er auch Äthiopiens Eisenbahn antreiben deren Ausbau genauso energisch vorangetrieben wird wie der Ausbau des Strassennetzes. Viele der dafür benötigten finanziellen Mittel kommen aus China. Und mit dem Geld kommen auch Investoren. Agrarkonzerne aus dem Reich der Mitte, aus Indien, Südkorea und dem nahen Osten brauchen Platz für die industrielle Produktion von Nahrungsmitteln und Blumen. Da die Eigentumsverhältnisse in den wenigsten Fällen offiziell registriert sind, gibt es nebst Landverkauf an ausländische Investoren deshalb auch Landraub und Zwangsumsiedlungen, wobei oft die archaischen Strukturen und die Lebensgrundlage vieler Bauernfamilien zerstört wird. 80% des Exporterlöses stammen aus der Landwirtschaft, wobei der Kaffee das wichtigeste Exportgut Äthiopiens ist.

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Das dieser Wandel in einem äusserst armen (30% der Bevölkerung lebt von weniger als 1.25 $ pro Tag) und ländlich geprägten Staat nicht reibungslos verläuft versteht sich von selbst. Vor einem Jahr, im November 2015 begannen die ersten Unruhen als die in der Zwischenzeit ohne jegliche Opposition agierende Regierung neue Bauprojekte rund um die Hauptstadt Addis Abeba ankündigte. Bis im Oktober 2016 wurden rund 2'500 Festnahmen vermeldet, seit der Verhängung des Ausnahmezustandes stieg die Zahl sprunghaft auf über 11'000 Personen an. Die Lage scheint sich etwas zuzuspitzen und auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten mahnt zu Vorsicht bei Reisen in Äthiopien.

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Mit unserer Tätigkeit in der Region Kaffa im Südwesten des Landes unterstützen wir die kleinbäuerlichen Strukturen, stärken die lokale Ökonomie und tragen so zu einer massvollen und nachhaltigen ökonomischen Entwicklung bei. Indem wir dem Regenwald einen wirtschaftlichen Wert geben schützen wir ihn vor der Abholzung. Er ist nicht nur die Wiege des Kaffees und als einziger Genpool des Coffea Arabica von unschätzbarem Wert, er ist auch Biosphärenreservat, wichtiger Klimaregulator, und - last but not least - ein nicht unwesentlicher Bestandteil unseres Geschäftes, aussergewöhnlichen und exklusiven Arabica aus zertifizierter Bio-Wildsammlung einzukaufen, zu rösten und Menschen anzubieten, die nicht nur Wert auf Geschmack legen, sondern auch auf Augenhöhe mit den Bauern ihren Kaffee geniessen möchten.

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Wir wünschen uns sehr, dass die Regierung nicht auf Konfrontationskurs geht, sondern ein offenes Ohr hat für die Anliegen der durch die Modernisierung benachteiligten Bevölkerung, dass sie bereit ist, notwendige Reformen anzupacken und so zu einem echten Vorbild für alle anderen afrikanischen Staaten zu werden. Ein Land, das sein unheimlich reiches kulturelles Erbe nicht in Unruhen und Terror, unterstützt durch ausländische Kriegsprofiteure, untergehen lässt, sondern als stolze und geeinte Nation Heimat ist für viele Ethnien und so beweist, dass die Wiege des modernen Menschen auch ein Beispiel für friedliches Zusammenleben, nachhaltige Entwicklung und weisen Fortschritt ist.



Quellen und weiterführende Links:
- Wikipedia - Äthiopien
- Stiftung Green Ethiopia
Helvetas - Äthiopien
- GEO schützt den Regenwald - Rettung für die Kaffeewälder in der Kaffa-Region
- NZZ - Äthiopiens ehrgeizige Infrastrukturprojekte
- Finanz und Wirtschaft - Entwicklungsdiktatur Äthiopien
- Inside-Travel

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