Donnerstag, 10. November 2016

Wie (un-) gesund ist Kaffee wirklich?

Fast tagtäglich tauchen aus den Tiefen des Internets neue Studien auf, die beweisen möchten wie gesund oder eben wie schädlich Kaffee für den menschlichen Organismus ist. Einmal schützt Kaffee vor Alzheimer, ein anderes Mal verursacht er Krebs. Einmal löst Kaffee Stress aus, ein anderes Mal reduziert er das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Einmal wurde die Studie an 12 Probanden ausgeführt, ein anderes Mal wurde sie von einer amerikanischen Kaffeehauskette in Auftrag gegeben. Und fragt man Dr. Google wird es noch schwieriger, sich ein klares Bild zu machen. Das Problem kommt vor allem daher, dass meist nur eine Wirkung isoliert betrachtet wird, der menschliche Organismus aber ein ganzheitliches System ist. Wir haben uns deshalb mit einem absoluten Kenner der Materie, dem TCM-Therapeuten Philipp Bründler, in unserer Kaffawerkstatt an die Werkbank gesetzt und einen Kaffee getrunken.

Philipp Bründler im Gespräch mit Willy Zemp

Erst wollten wir natürlich wissen, was es denn genau mit der Traditionnellen Chinesischen Medizin auf sich hat. Der sympathische Luzerner, der seit sieben Jahren erfolgreich therapiert, erklärt uns die TCM so: Bei einem gesunden Menschen ist der Organismus im Gleichgewicht, Krankheiten entstehen dann, wenn in Körper oder Geist Disharmonien auftauchen. Jeder Behandlung geht darum eine sorgfältige Diagnose voraus. Dabei stellt der Therapeut fest, wo das Ungleichgewicht besteht. Gleichzeitig versucht er zu verstehen, wie dieses Ungleichgewicht entstanden ist. Als ganzheitliches Heilsystem beschränkt sich die TCM dabei nicht nur auf den Körper, sondern schliesst den ganzen Menschen mit seiner gegenwärtigen Lebenssituation ein. Zur Behandlung stehen dem Therapeuten vier verschiedene Disziplinen zur Verfügung, welche einzeln oder in Kombination zur Anwendung kommen: die Akupunktur, die Kräuterheilkunde, die Ernährungsberatung und Qi Gong, eine Meditations-, Konzentrations- und Bewegungsform zur Kultivierung von Körper und Geist. So steht in der TCM denn auch immer der Mensch als untrennbare Einheit aus Körper, Geist und Seele im Zentrum.

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Vieles was auch bei uns im Mittelalter noch bewusst angewandt wurde, ist mit der Entwicklung der westlichen Medizin und ihrem anatomisch/physiologischen Verständnis des menschlichen Körpers verloren oder vergessen gegangen. In der TCM ist zum Beispiel die thermische Wirkung unserer Ernährung weiterhin sehr präsent. Während dem wir hier im Westen die Nahrung oft auf ihre Inhaltsstoffe reduzieren und diese aus dem Kontext rausnehmen und isoliert betrachten, kommt dieser in der chinesischen Medizin eine tragende Rolle zu. Kühlt sie oder wärmt sie den Körper, unterstützt oder hindert sie die Verbrennung/Verdauung? Je nach dem ob der Patient eher der Yin (kühl) oder der Yang (warm)-Typ ist, hat die Ernährung unterschiedliche Wirkung. Ein gut funktionierendes Verdauungssystem ist eine der fünf tragenden Säulen für die Gesundheit des Menschen, denn sie stärkt das Immunsystem.


Nach dem Yin-Yang-Konzept bildet die Theorie der fünf Wandlungsphasen eine zweite Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin (und auch des indischen Ayurveda). Diese Entsprechungsreihen werden mit den Begriffen Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde bezeichnet (5-Elemente-Theorie). Es handelt sich jedoch nicht etwa um «Elemente», sondern um die Beschreibung und Qualifizierung zeitlicher Abläufe und zyklisch dynamischer Strukturen. Mit den Interaktionen der fünf Wandlungsphasen in einem positiven (Erschaffung oder Nährung) oder negativen Zyklus (Schwächung, Schädigung oder Zerstörung) werden alle Veränderungen und Störungen der funktionellen Abläufe im Körper beschrieben.

Interaktionen der fünf Wandlungsphasen

In diesem System wird von Funktionskreisen gesprochen und nicht mehr von anatomischen Einzelorganen und deren Funktion. Vielmehr spricht die Traditionelle Chinesische Medizin von einem Regelwerk von Wirkungszusammenhängen zwischen den Organen. Diese werden von folgenden Prinzipen abgeleitet:
 
Holz füttert Feuer,
Feuer nährt Erde,
Erde gebiert Metall (Metalle sind in der Erde enthalten)
Metall nährt Wasser und
Wasser nährt Holz.

Dies ist der Nährzyklus, es gibt aber noch weitere Zyklen wie z.B. den Erschöpfungs-, den Kontroll-, den Verletzungszyklus. Dabei wird jede mögliche Interaktion der Elemente untereinander betrachtet.


Welchen Einfluss hat nun Kaffee aus der Sicht der chinesischen Medizin auf den menschlichen Körper, auf dessen Geist und Seele? Die Rubiaceae Pflanzenfamilie, zu der Kaffee gehört, ist eine traditionelle Quelle verschiedener chinesischer Medizinalkräuter. Obwohl Kaffee in der TCM nicht als Präparat (Heilmittel) verwendet wird, zeigen sich interessante Parallelen. Samen und Bohnen, wenn als Heilmittel benutzt, werden typischerweise in einer Dosierung zwischen 6 - 18 Gramm pro Tag verordnet. Das entspricht der Menge von ungefähr zwei, drei Tassen Kaffee pro Tag. Die thermische Wirkung des Kaffees auf den menschlichen Körper ist kurzfristig und oberflächlich erhitzend, dann aber langfristig stark kühlend. Die Kaffeebohne wirkt bitter, aromatisch und ist kalt. Der Kafeee wirkt euphorisierend, belebend, fördert die Konzentration und ist anregend. Isst der Patient viel Fleisch tut Kaffee in der Regel gut. Südländische Brühmethoden (türkisch, griechisch, Espresso, ...) sind besser geeignet Fett und tierisches Eiweiss zu resorbieren als Filterkaffee der das Blut verletzen und den Magen angreifen kann. Wenn der Kaffee zusätzlich noch mit Kardamom (oder Zimt) aromatisiert wird, eine in den arabischen Ländern gängige Methode, kühlt der Kaffee den Körper weniger, der Körper verbrennt/verdaut besser.

Menschen die oft kalte Füsse haben oder eher fröstelnder Natur sind sollten ihren Kaffeekonsum einschränken und generell gilt, die Kaffeepause ohne Zigarette zu geniessen und in der Zigarettenpause auf den Kaffee zu verzichten. Bei der Behandlung mittels TMC lernt der Patient sich und seine Gewohnheiten zu beobachten, (wieder) einen Bezug zu seinem Körper herzustellen und zu den Nahrungsmitteln die diesem einverleibt werden. Wie ist das Befinden nach dem Essen, wie die Verdauung, wie der Stuhl? So gewöhnt man sich relativ einfach, Mass zu halten.


Nicht zu verachten ist auch die Frage, warum man eigentlich Kaffee trinkt? Kaffee ist kein Lebens- sondern ein Genussmittel. Missbraucht man ihn, um am Morgen hektisch in die Gänge zu kommen ist der besonders in der Früh stark verdauungsfördernde Effekt viel tiefer als wenn man ihn bewusst geniesst. Der Wachmachereffekt ist auch nicht nachhaltiger Natur, da der Körper sich an den morgendlichen Koffeinkick gewöhnt, man wird zum Kaffee-Junkie. Und wer ihn trinkt, um möglichst gesund zu sein hat ja immer die Angst im Hinterkopf krank werden zu können. Auch das keine gute Voraussetzung, die Kaffeepause als besonderen Moment im hektischen Alltag zu erleben. Besser, man trinkt weniger Kaffee dafür bewusster.

Und dann, und das betont Philipp Bründler mit Nachdruck, ist Kaffee nicht gleich Kaffee. In einem industriell gerösteten Kaffee ist nicht gleiche Energie vorhanden wie zum Beispiel in einem Wildkaffee, bei dem jede Wertschöpfungsstufe eine ganzheitliche Wertschätzung erfährt. Und so wie der Normalverbraucher lieber den dicken, fetten Ginseng im Regal wählt, weil es besonders stark aussieht obwohl der kleine, verknorzte wilde Ginseng viel stärkere, konzentriertere Aromen und Wirkstoffe aufweist, hat auch der dicke, fette Plantagenkaffee gegenüber dem Wildkaffee nicht den Hauch einer Chance. Besser, man trinkt weniger Kaffee dafür besseren.

Gesunder Menschenverstand, Mass halten, die Mitte und/oder die Balance zu finden, sich an der Natur orientieren sind Werte die beim Gespräch mit dem TCM-Therpateuten Bründler immer wieder zur Rede kommen. Woran erkennt man einen guten Therapeuten möchten wir wissen? Eine Krankenkassenanerkennung sei ein erstes Zeichen von Qualität, ein zweites Häufigkeit und Dauer der Weiterbildung. Und dann sei es natürlich immer auch eine Frage der Chemie zwischen Patient und Therapeut.

Trinken Sie wenig, dafür guten Wildkaffee und geniessen Sie ihn. So bleiben Sie fast garantiert den ganzen Winter fit und gesund. Und falls das nicht klappt, empfiehlt Philipp Bründler Ihnen dieses wunderbare TCM-Winterheilmittel: Hühnerbrühe!

Weiterführende Literatur zum Thema
Kaffee nach TCM
Coffee in China - and the analysis of coffee according to TCM

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