Donnerstag, 26. November 2015

Die 7 schönsten Kaffee-Rituale der Welt

Rituale sind mühselige Zeitverschwender. Sagen die Einen. Rituale geben Halt, strukturieren und sind bedeutungsvoll, sie geben einen Wert. Sagen die Anderen. Wir alle kennen sie, lieben sie und lassen uns manchmal auch von ihnen nerven, besonders von den Ritualen anderer. Rituale begleiten uns durchs Leben. Rituale können ganz klein sein, wie zum Beispiel seit fünf Jahren immer den gleichen Kaffee-Becher fürs Frühstück zu benutzen. Oder ganz gross und feierlich, dann werden sie zur Zeremonie, wie die japanische Tee-Zeremonie, zum Beispiel. Rituale finden wir in allen Lebensbereichen, speziell viele sind von spiritueller, sportlicher oder gesellschaftlicher Natur. Das Bedürfnis nach Ritualen steigt mit der zunehmenden gesellschaftlichen Zersplitterung und der damit einhergehenden Verunsicherung.


Für die meisten von uns fängt der Tag mit einem Kaffee-Ritual an. Grund genug, Ihnen heute die sieben schönsten Kaffee-Rituale der Welt vorzustellen. Die Reihenfolge ist beliebig, wir fangen mit dem für uns naheliegendsten Ritual an, dem äthiopischen Kaffee-Ritual. Maria Müller durfte dies bereits mehrere Male persönlich miterleben und stellt es uns vor.

In Äthiopien zum Kaffee geladen zu sein, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Hier wird Kaffee nicht einfach getrunken, sondern in einem aufwendigen Ritual zelebriert und das mehrmals täglich. Die Zubereitung des Kaffees ist reine Frauensache und meist bereitet die Frau des Hauses bereits im Morgengrauen den ersten Kaffee zu. Dazu legt sie sich die Netala, den traditionellen Schal aus feiner Baumwolle, um Kopf und Schultern und legt den Boden um die Feuerstelle mit frischem Gras aus, ein Symbol der Verbundenheit mit der Natur. Dann werden die grünen Kaffeebohnen in einer Schale auf dem Feuer, unter ständigem Rühren mit einem kleinen Besen oder Eisenstab, frisch geröstet. Ein herrlicher Duft mischt sich mit der noch kühlen Morgenluft und verbreitet sich überall in den Strassen. Sind die Bohnen braun genug, werden sie noch heiss in einem Holzmörser zu feinem Mehl gestossen. Währenddessen wird in der Jebana, der typischen äthiopischen Kaffeekanne aus Ton, Wasser auf dem Feuer erhitzt, das frisch gemahlene Kaffeepulver geschickt durch den schmalen Hals in den Krug gefüllt und der Sud aufgekocht bis die richtige Stärke erreicht ist. In einem offenen Tongefäss mit ein paar Stückchen glühender Holzkohle wird Weihrauch gegeben, ein feierlicher Duft nach Weihrauch und Kaffee verbreitet sich.

Die erste Tasse Kaffee bekommt übrigens nicht etwa der Gast oder das Familienoberhaupt. Die erste Tasse wird auf die Erde gegossen als Dank an die Natur. Zum Kaffee reichen die Frauen frisch geröstetes Popkorn oder Kollo, eine Mischung aus Gerstenkörner und getrockneten Kichererbsen und je nach Gegend wird der Kaffee mit Kardamom, Nelken oder einer Prise Salz leicht gewürzt.

Die Kaffeezeremonie ist in Äthiopien nicht nur ein wichtiges Alltagsritual sondern spielt eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben. Kaffee ist Zeichen der Gastfreundschaft, der Zusammengehörigkeit und der Wertschätzung. Beim Kaffee werden oft Streitigkeiten unter Familien und Nachbarn geschlichtet, wichtige Verträge abgeschlossen oder ganz einfach nur der neueste Klatsch ausgetauscht.



Kenji Aoki for The New York Times
Japan ist ein Land, das vor allem für seine Tee-Zeremonie bekannt ist. Aber Japan hat schon eine jahrzehntelange Kaffee-Tradition in dessen Zentrum eine speziell langsame Kaffee-Extraktion steht, die sogenannte Cold Drip-Methode über die wir bereits berichtet haben. Es hat auch etwas meditatives, wenn man seinen Kaffee so, Tropfen für Tropfen, beim Entstehen beobachten kann. Gerade in den Bereichen Filterkaffee und ColdBrew stammt heute viel professionelles Equipment aus dem Land der aufgehenden Sonne. Einen spannenden Bericht findet man im Magazin der New York Times unter dem bedeutungsvollen Titel: Coffee's Slow Dance.

Besonders die jungen JapanerInnen mögen die eine besondere Kaffee-Variante: Kaffee mit Soja-Milch. Das ursprünglich von einer japanischen Kaffeehaus-Kette kreierte Getränk ist so beliebt geworden, dass der Soja-Milch-Kaffee auch außerhalb von Japan seine Fans gefunden hat. Das Getränk ist nicht nur wegen seines Geschmacks sehr beliebt, sondern auch weil die Nährstoffe der Soja-Bohne jung halten sollen. Inzwischen gibt es in Japan auch schon ein Haushaltsgerät, das aus Soja-Bohnen Milch presst. Übrigens: Heißer Kaffee heißt "O hoto Kohi".



Irland
Die wohl berühmteste Kaffee-Kreation der grünen Insel ist der "Irish Coffee". Ursprünglich verdanken wir seine Existenz angeblich dem Mangel an Irish Whiskey während der Prohibitionszeit in den USA, da viele Destillerien geschlossen werden mussten und Whiskey deswegen nahezu unerschwinglich wurde. Findige Iren wichen auf einen "mit frischem Quellwasser bereiteten Kaffee" aus, dem man etwas Zucker und etwa 4 cl Irish Whiskey beigab und in einem Stilglas servierte. Danach rührt man kurz um und setzt eine Sahnehaube darauf. Der "Irish Coffee" war geboren.



Skandinavien
Die nordische Kaffeekultur macht sich auch bei uns ganz langsam breit, weg vom hochkonzentrierten, italienischen Espresso zum norwegischen Filterkaffee mit seiner unheimlich breiten Aromafülle. Wie aber sieht es aus mit den Ritualen? In ganz Skandinavien gibt es in jeder noch so kleinen Hütte einen Kanonenofen mit ausreichend Holzvorrat und dem unvermeidlichen Kaffeewassertopf. Kocht das Wasser im Töpfchen, wird eine Handvoll Kaffee dazugegeben und noch einmal aufgekocht. Dann muss der Satz des Suds abgewartet werden und schon ist der Kaffee trinkfertig. Das Kaffeekochen über dem offenen Feuer ist eine Kunst, die die Nordschweden schon von klein auf beherrschen. Jeder Kanufahrer oder Wanderer, der etwas auf sich hält, trägt einen kleinen Kaffeetopf und einen Lederbeutel mit "Kochkaffee" bei sich. Übrigens: Die Zugabe von Milch wird als Verfälschung des Kaffeegeschmacks angesehen. Einen wunderschönen Bericht über die samische Kaffee-Zeremonie finden Sie auf dem Blog von Nordic Coffee Culture.
Wenn in Finnland ein Problem ansteht, dann sagt man einfach "Kahvipaussi", geht einen Kaffee trinken und löst das Problem im gemeinsamen Gespräch. Die Finnen trinken übrigens mehr Kaffee als jede andere europäische Nation.


Syrien
Wenn man in syrischen Städten rumläuft sieht man oft riesige Reproduktionen von Kaffee-Kannen. Kaffee ist ein fester Bestandteil des syrischen Lebens und das zeigen sie gerne. Zu jeder wichtigen Gelegenheit wird Kaffee serviert: bei vorhochzeitlichen Verhandlungen zu Reinigungsritualen und Beerdigungen. Das syrische Kaffee-Ritual kann aber auch einen einfachen Besuch in einem syrischen Haus zu einem feierlichen Moment werden lassen. Wie in Ägypten oder Libanon wird in Syrien der Kaffee mit gezuckertem Wasser gebrüht. Bevor der Kaffee serviert wird, muss man herausfinden wie süss die Gäste den Kaffee mögen, falls nötig, werden dann gleichzeitig mehrere Kaffee-Kännchen aufgesetzt. Bitterer Kaffee ist nur für Trauerzeremonien vorgesehen. Auch wenn das Kaffee- servieren eine angenehme Aufgabe für den Gastgeber ist, so müssen die Gäste doch auch entsprechend darauf reagieren. Das magische Wort ist Daïmé, was so viel wie "für immer" heisst. Damit wird die Hoffnung ausgedrückt, dass das Haus welches den Kaffee serviert, immer so grosszügig sein wird.

Manchmal, wenn die Menschen besorgt sind über die Zukunft, stellen sie die Kaffeetasse umgedreht auf die Untertasse und warten auf das Muster, das der Satz darauf zeichnet. Daraus wird die Zukunft gelesen. Zurzeit wird dies in Syrien vermutlich sehr oft der Fall sein... Vielleicht möchten Sie das Projekt "Soup for Syria" unterstützen. Der Erlös aus dem Verkauf dieses Kochbuches von Barbara Abdeni Massaad, welches bei faircustomer.ch bestellt werden kann, wird dem Uno Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) für das Nahrungsmittel Programm der syrischen Flüchtlinge im Libanon gespendet.


Türkei
Selbstverständlich trinkt man Kaffee auch heute noch traditionell auf "türkische Art", der ältesten bekannten Methode der Kaffeezubereitung. Dabei wird der kräftige, aromatische Kaffee zusammen mit dem Wasser in der typischen, kupfernen Kanne, "Cezvek" oder "Ibrik" gennant, gebrüht und mit dem Satz - seiner Seele - serviert. Manchmal wird der Kaffee auch im heissen Sand gebrüht. Der typische Mokka erhält sein Aroma durch die mechanische Herdkanne, die mehrfach und in verschiedenen Grössen in jedem türkischen Haushalt zu finden ist. Übrigens: Angeblich sollen aus der Art, wie sich der Kaffee in der Tasse absetzt, die Geschehnisse des folgenden Jahres vorhergesagt werden können. Das Lesen des Kaffeesatzes hat aber auch in diesem Land eine lange und immer noch sehr wache Tradition. Die Turkish Cultural Foundation hat einen lesenswerten Artikel über diese Tradition geschrieben.


Quelle: asanayoga.de Kaffee und Yoga
Nun fehlt nur noch das siebte der schönsten Kaffee-Rituale der Welt. Wir sind überzeugt, dass das Ihr ganz persönliches Kaffee-Ritual ist. Wie auch immer es aussehen mag, für Sie ist es ein wertvoller Moment. Ein Augenblick der Ruhe im hektischen Alltag, ein Augenblick der Sicherheit gibt und vielleicht auch ein Gemeinschaftsgefühl. Mit der rituellen Handlung erschaffen Sie einen Wert, ihr Kaffee wird noch Wert-voller als er es bereits ist. Das Schöne daran ist, dass man etwas Wert-volles noch mehr und noch bewusster geniesst.

Schön geschrieben hat das auch Sven Schneider vom Zwentner.com-Blog für Netz- und Popkultur in seinem Artikel Kaffee-Rituale! Beim Recherchieren über (Kaffee-)Rituale sind wir über ganz viele spannende Artikel gestossen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Zum Beispiel berichtet die Coffee Review über Coffee Ceremonies, Coffee Anti-Ceremonies (auch das gibt es!) und im Espressostil, das heisst kurz und konzentriert, über Coffee as Sacrament. Auf dem bernetblog schreibt Laetitia Hardegger über Rituale im Alltag - mit und ohne Kaffee. Für Leute, die sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen möchten gibt es sogar eine Fachschule für Rituale. Das Schweizer Fernsehen gibt Antworten auf die Frage Brauchen wir Rituale? während dem die Berner Zeitung über die Macht der Rituale schreibt. Die Swisscom behauptet in ihrer KMU Business World Es gibt kein Leben ohne Rituale! und bebildert den Text mit einer Kaffeetasse. Und, last but not least, berichtet die Genussfrau.ch über Kaffee-Rituale für Geniesserinnen, wobei wir die Werbung der Postfinance ein bisschen daneben finden.

Nächsten Sonntag ist bereits wieder der 1. Advent. Wir finden das Anzünden der ersten Kerze auf dem Kranz aus Tannenzweigen ein schönes Ritual, eine schöne Tradition zum Innehalten, unabhängig von glaubenstechnischen Fragen. Auch die Natur zieht sich zurück, konzentriert sich mehr auf das innere Wachstum. Seien wir also wieder mal ganz natürlich und machen wir es ihr nach. So kann die hektische Vorweihnachtszeit eine spirituelle Tiefe bringen die unserem persönlichen Wachstum sicher gut tut. Halten wir das Rad der Zeit also für einen kurzen Moment an, trinken einen Wildkaffee, natürlich, und lassen wir den Gedanken freien Lauf.

Natürlich freuen wir uns ungemein, wenn Sie Ihr persönliches Kaffeeritual mit uns teilen.  Haben Sie ein Frühstücksritual, ein Nach-dem-Essen-Espresso-Ritual oder gar gar kein Ritual? Wir sind gespannt!



Quelle (unter anderen): Deutscher Kaffeeverband, Kaffeezubereitung, Internationale Sitten und Rituale


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