In Äthiopien zum Kaffee geladen zu sein, ist ein
ganz besonderes Erlebnis. Hier wird Kaffee nicht einfach getrunken,
sondern in einem aufwendigen Ritual zelebriert und das mehrmals täglich.
Die Zubereitung des Kaffees ist reine Frauensache und meist bereitet
die Frau des Hauses bereits im Morgengrauen den ersten Kaffee zu. Dazu
legt sie sich die Netala, den traditionellen Schal aus feiner Baumwolle,
um Kopf und Schultern und legt den Boden um die Feuerstelle mit
frischem Gras aus, ein Symbol der Verbundenheit mit der Natur. Dann
werden die grünen Kaffeebohnen in einer Schale auf dem Feuer, unter
ständigem Rühren mit einem kleinen Besen oder Eisenstab, frisch
geröstet. Ein herrlicher Duft mischt sich mit der noch kühlen Morgenluft
und verbreitet sich überall in den Strassen. Sind die Bohnen braun
genug, werden sie noch heiss in einem Holzmörser zu feinem Mehl
gestossen. Währenddessen wird in der Jebana, der typischen äthiopischen
Kaffeekanne aus Ton, Wasser auf dem Feuer erhitzt, das frisch gemahlene
Kaffeepulver geschickt durch den schmalen Hals in den Krug gefüllt und
der Sud aufgekocht bis die richtige Stärke erreicht ist. In einem
offenen Tongefäss mit ein paar Stückchen glühender Holzkohle wird
Weihrauch gegeben, ein feierlicher Duft nach Weihrauch und Kaffee
verbreitet sich.
Die
erste Tasse Kaffee bekommt übrigens nicht etwa der Gast oder das
Familienoberhaupt. Die erste Tasse wird auf die Erde gegossen als Dank
an die Natur. Zum Kaffee reichen die Frauen frisch geröstetes Popkorn
oder Kollo, eine Mischung aus Gerstenkörner und getrockneten
Kichererbsen und je nach Gegend wird der Kaffee mit Kardamom, Nelken
oder einer Prise Salz leicht gewürzt.
Die
Kaffeezeremonie ist in Äthiopien nicht nur ein wichtiges Alltagsritual
sondern spielt eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben. Kaffee
ist Zeichen der Gastfreundschaft, der Zusammengehörigkeit und der
Wertschätzung. Beim Kaffee werden oft Streitigkeiten unter Familien und
Nachbarn geschlichtet, wichtige Verträge abgeschlossen oder ganz einfach
nur der neueste Klatsch ausgetauscht.
Kenji Aoki for The New York Times |
Besonders die jungen JapanerInnen mögen die eine besondere Kaffee-Variante: Kaffee mit Soja-Milch. Das ursprünglich von einer japanischen Kaffeehaus-Kette kreierte Getränk ist so beliebt geworden, dass der Soja-Milch-Kaffee auch außerhalb von Japan seine Fans gefunden hat. Das Getränk ist nicht nur wegen seines Geschmacks sehr beliebt, sondern auch weil die Nährstoffe der Soja-Bohne jung halten sollen. Inzwischen gibt es in Japan auch schon ein Haushaltsgerät, das aus Soja-Bohnen Milch presst. Übrigens: Heißer Kaffee heißt "O hoto Kohi".
Irland
Die wohl berühmteste Kaffee-Kreation der grünen Insel ist der "Irish Coffee". Ursprünglich verdanken wir seine Existenz angeblich dem Mangel an Irish Whiskey während der Prohibitionszeit in den USA, da viele Destillerien geschlossen werden mussten und Whiskey deswegen nahezu unerschwinglich wurde. Findige Iren wichen auf einen "mit frischem Quellwasser bereiteten Kaffee" aus, dem man etwas Zucker und etwa 4 cl Irish Whiskey beigab und in einem Stilglas servierte. Danach rührt man kurz um und setzt eine Sahnehaube darauf. Der "Irish Coffee" war geboren.
Skandinavien
Die nordische Kaffeekultur macht sich auch bei uns ganz langsam breit, weg vom hochkonzentrierten, italienischen Espresso zum norwegischen Filterkaffee mit seiner unheimlich breiten Aromafülle. Wie aber sieht es aus mit den Ritualen? In ganz Skandinavien gibt es in jeder noch so kleinen Hütte einen Kanonenofen mit ausreichend Holzvorrat und dem unvermeidlichen Kaffeewassertopf. Kocht das Wasser im Töpfchen, wird eine Handvoll Kaffee dazugegeben und noch einmal aufgekocht. Dann muss der Satz des Suds abgewartet werden und schon ist der Kaffee trinkfertig. Das Kaffeekochen über dem offenen Feuer ist eine Kunst, die die Nordschweden schon von klein auf beherrschen. Jeder Kanufahrer oder Wanderer, der etwas auf sich hält, trägt einen kleinen Kaffeetopf und einen Lederbeutel mit "Kochkaffee" bei sich. Übrigens: Die Zugabe von Milch wird als Verfälschung des Kaffeegeschmacks angesehen. Einen wunderschönen Bericht über die samische Kaffee-Zeremonie finden Sie auf dem Blog von Nordic Coffee Culture.
Wenn in Finnland ein Problem ansteht, dann sagt man einfach "Kahvipaussi", geht einen Kaffee trinken und löst das Problem im gemeinsamen Gespräch. Die Finnen trinken übrigens mehr Kaffee als jede andere europäische Nation.
Syrien
Wenn man in syrischen Städten rumläuft sieht man oft riesige Reproduktionen von Kaffee-Kannen. Kaffee ist ein fester Bestandteil des syrischen Lebens und das zeigen sie gerne. Zu jeder wichtigen Gelegenheit wird Kaffee serviert: bei vorhochzeitlichen Verhandlungen zu Reinigungsritualen und Beerdigungen. Das syrische Kaffee-Ritual kann aber auch einen einfachen Besuch in einem syrischen Haus zu einem feierlichen Moment werden lassen. Wie in Ägypten oder Libanon wird in Syrien der Kaffee mit gezuckertem Wasser gebrüht. Bevor der Kaffee serviert wird, muss man herausfinden wie süss die Gäste den Kaffee mögen, falls nötig, werden dann gleichzeitig mehrere Kaffee-Kännchen aufgesetzt. Bitterer Kaffee ist nur für Trauerzeremonien vorgesehen. Auch wenn das Kaffee- servieren eine angenehme Aufgabe für den Gastgeber ist, so müssen die Gäste doch auch entsprechend darauf reagieren. Das magische Wort ist Daïmé, was so viel wie "für immer" heisst. Damit wird die Hoffnung ausgedrückt, dass das Haus welches den Kaffee serviert, immer so grosszügig sein wird.
Manchmal, wenn die Menschen besorgt sind über die Zukunft, stellen sie die Kaffeetasse umgedreht auf die Untertasse und warten auf das Muster, das der Satz darauf zeichnet. Daraus wird die Zukunft gelesen. Zurzeit wird dies in Syrien vermutlich sehr oft der Fall sein... Vielleicht möchten Sie das Projekt "Soup for Syria" unterstützen. Der Erlös aus dem Verkauf dieses Kochbuches von Barbara Abdeni Massaad, welches bei faircustomer.ch bestellt werden kann, wird dem Uno Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) für das Nahrungsmittel Programm der syrischen Flüchtlinge im Libanon gespendet.
Türkei
Selbstverständlich trinkt man Kaffee auch heute noch traditionell auf "türkische Art", der ältesten bekannten Methode der Kaffeezubereitung. Dabei wird der kräftige, aromatische Kaffee zusammen mit dem Wasser in der typischen, kupfernen Kanne, "Cezvek" oder "Ibrik" gennant, gebrüht und mit dem Satz - seiner Seele - serviert. Manchmal wird der Kaffee auch im heissen Sand gebrüht. Der typische Mokka erhält sein Aroma durch die mechanische Herdkanne, die mehrfach und in verschiedenen Grössen in jedem türkischen Haushalt zu finden ist. Übrigens: Angeblich sollen aus der Art, wie sich der Kaffee in der Tasse absetzt, die Geschehnisse des folgenden Jahres vorhergesagt werden können. Das Lesen des Kaffeesatzes hat aber auch in diesem Land eine lange und immer noch sehr wache Tradition. Die Turkish Cultural Foundation hat einen lesenswerten Artikel über diese Tradition geschrieben.
Quelle: asanayoga.de Kaffee und Yoga |
Schön geschrieben hat das auch Sven Schneider vom Zwentner.com-Blog für Netz- und Popkultur in seinem Artikel Kaffee-Rituale! Beim Recherchieren über (Kaffee-)Rituale sind wir über ganz viele spannende Artikel gestossen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Zum Beispiel berichtet die Coffee Review über Coffee Ceremonies, Coffee Anti-Ceremonies (auch das gibt es!) und im Espressostil, das heisst kurz und konzentriert, über Coffee as Sacrament. Auf dem bernetblog schreibt Laetitia Hardegger über Rituale im Alltag - mit und ohne Kaffee. Für Leute, die sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen möchten gibt es sogar eine Fachschule für Rituale. Das Schweizer Fernsehen gibt Antworten auf die Frage Brauchen wir Rituale? während dem die Berner Zeitung über die Macht der Rituale schreibt. Die Swisscom behauptet in ihrer KMU Business World Es gibt kein Leben ohne Rituale! und bebildert den Text mit einer Kaffeetasse. Und, last but not least, berichtet die Genussfrau.ch über Kaffee-Rituale für Geniesserinnen, wobei wir die Werbung der Postfinance ein bisschen daneben finden.
Nächsten Sonntag ist bereits wieder der 1. Advent. Wir finden das Anzünden der ersten Kerze auf dem Kranz aus Tannenzweigen ein schönes Ritual, eine schöne Tradition zum Innehalten, unabhängig von glaubenstechnischen Fragen. Auch die Natur zieht sich zurück, konzentriert sich mehr auf das innere Wachstum. Seien wir also wieder mal ganz natürlich und machen wir es ihr nach. So kann die hektische Vorweihnachtszeit eine spirituelle Tiefe bringen die unserem persönlichen Wachstum sicher gut tut. Halten wir das Rad der Zeit also für einen kurzen Moment an, trinken einen Wildkaffee, natürlich, und lassen wir den Gedanken freien Lauf.
Natürlich freuen wir uns ungemein, wenn Sie Ihr persönliches Kaffeeritual mit uns teilen. Haben Sie ein Frühstücksritual, ein Nach-dem-Essen-Espresso-Ritual oder gar gar kein Ritual? Wir sind gespannt!
Quelle (unter anderen): Deutscher Kaffeeverband, Kaffeezubereitung, Internationale Sitten und Rituale
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